Mit Feuer und Leidenschaft

Das Ensemble con brio e.V. erhält die Kulturmedaille der Stadt Würzburg Laudatio von Peter Collier beim Verleihungsfest.

Ich gebe es ja zu: ich bin Partei, und das nicht wenig! Aber wer eine Laudatio hält, muß auch Partei sein dürfen. Seit jenem Tag 1988, als mich ein gewisser Herr Moll anrief, mir von einem neu gegründeten Orchesterverein erzählte und mir sagte: Herr Collier, da müssen Sie Mitglied werden. Ich würde mich heute sehr ärgern, wenn ich damals nicht aus dem Stand Ja gesagt hätte. – Eine kleine Geschichte darüber, wie sich diese Gemeinschaft gebildet und fortentwickelt hat: Mit Feuer und sprühender Leidenschaft, eben con brio. Anders konnte diese Gemeinschaft gar nicht heißen!

Die Medaillie Die Verleihung der Urkunde Feier im Rathaussaal

Wo liegt das Geheimnis dieses Erfolgs? Da ist zum einen dieser Kreis höchst engagierter Musikliebhaber selbst. Nicht Laien, sondern Liebhaber. Nehmen wir das Wort ruhig wörtlich: Menschen, die, aus den verschiedensten Berufen kommen und die Musik so sehr lieben, daß sie sich ihr in einem ganz großen Teil ihres Lebens verschrieben haben. Nicht ein bißchen sondern aus vollem Herzen und mit Leidenschaft: con brio. Liebhaber, die vor nichts in der Musikliteratur Respekt haben. Denen ist kaum eine Hürde zu hoch. Am Anfang stand gleich nichts Geringeres als die Eroica, dieses gewaltige Werk Beethovens, das mit einer mitreißenden Kraft des Ausdrucks das Ringen eines Menschen mit den Mächten des Schicksals beschreibt, das Unterliegen, Verzweifeln, das sich Aufraffen und Obsiegen in musikalischen Bildern von dramatischer Wucht und mitreißender Ausdruckskraft – schon im ersten Satz con brio! Eine solche Herausforderung als junges Ensemble mutig, unbefangen und dann schließlich auch erfolgreich anzugehen, verdient schon allerhöchsten Respekt!
Gustav Mahler habe ich in einem Konzert von Con brio zum ersten Mal verstanden. Es war in einem Vorkonzert in einem wenig stimmungsvollen Saal in Alteglofsheim, unweit Regensburgs. Ich mußte stehen, so voll war es. Con Brio hat immer die Herausforderungen gesucht in seinen bislang nicht weniger als 44 Konzertfolgen, alle Halbjahr eine. Natürlich Mozart und Beethoven, natürlich Schubert und Mendelssohn, aber auch Schostakowitsch und Schnittke, Bartok und Bernstein, Tschaikowsky und Mussorgski, Brahms und Bruckner. Das waren und sind die immer spannenden Programme, die Con Brio von Anbeginn volle Häuser in Würzburg bescheren. Dazu ausgesuchte Solisten, vom heimischen Cellisten Matthias Steinkrauß bis zur russischen Ausnahmepianistin Eva Smirnova.

Und dann gibt es einen Menschen, ohne den dieses Orchester nicht dort stünde, wo es heute steht. Ein Mann, dem manche Profidirigenten dankbar sein sollten, daß er nach seiner Ausbildung zum Arzt und Dirigenten nicht ins Profi-Fach ging, sondern als Professor junge Menschen lehrte, die Musik zum Heilen und Stärken von Menschen in der Musiktherapie einzusetzen. Sein gesamtes Engagement mit Con brio bestreitet er, wie alle seine Musiker, rein ehrenamtlich, ohne irgendeine materielle Zuwendung!
Besuchen Sie ein Konzert, und Sie erleben es: Gert Feser tritt federnden Schritts vor das Orchester und macht dann erst einmal gar nichts, außer, dass er seine Musiker anstrahlt. Und alle strahlen zurück. Und dann wird musiziert. Gert Feser ist ein demokratisch, sensibel führender Dirigent, präzise in der Schlagtechnik, aber kein autoritärer egozentrischer Karajan, sondern der Mann, der Impulse verleiht, der als Freund seine Musikfreunde mitreißt und das Stück neu gestaltet. Kein penibler Vollstrecker dessen, was sich vielleicht der Komponist gedacht haben mag – wer weiß das schon? – sondern einer, der schöpferisch mit seinen Musikern gemeinsam ein Werk gestaltet. Solche Gestaltung hat immer eine Eigendynamik und etwas ungemein Fesselndes. Sie verlangt auch Mut zum Risiko. Ohne diesen Mut bliebe es bei einer „Aufführung“, über die dann die Presse so wesentliche Erkenntnisse schreiben könnte wie jene, daß der Saal ziemlich gut gefüllt war und der Konzertmeister bedauerlicherweise einen Schnupfen hatte. Manchmal wünschte ich mir, unsere Presse würde ein wenig deutlicher sagen, welche großartigen Leistungen hier Menschen erbringen, die dies alles rein ehrenamtlich, nur der Freude an der Musik willen tun.

Nun braucht eine Gemeinschaft auch einen, der sie Tag für Tag zusammenhält, einen Mann, der mit Fröhlichkeit, aber auch mit der Klarheit eines kaufmännisch denkenden Kopfes für das Organisatorische an erster Stelle verantwortlich ist. Natürlich ein Kopf aus dem Einzelhandel! Ulrich Moll. Wer ihn bescheiden „im Glied“ an seiner Bratsche sieht, weiß zumeist nicht, welche Arbeit er für den Zusammenhalt und den Erfolg des Orchesters leistet. Mit ihm engagieren sich eine ganze Reihe seiner musikalischen Freunde. Denn ein Konzert vorzubereiten erfordert sehr viel Arbeit.
Spätestens an dieser Stelle wird es Zeit zu gratulieren. Nämlich Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister und damit der Stadt Würzburg dazu, daß mit Con brio so eine starke musikalische Kraft in unserer herrlichen Stadt wirkt. Eine Stadt, in der die Musik in hochkarätiger Form in vielfältiger Weise lebt, mit einem ausgezeichneten Philharmonischen Orchester, mit großen Chören und zahlreichen Ensembles. Musiker empfinden sich nicht als Konkurrenten, ihre Belohnung ist die Musik und die Freude, die sie an Menschen weitergeben.

Damit sind wir bei dem letzten Erfolgsfaktor von Con brio, dem Publikum, kurz, bei uns! Unterschiedliche Ensembles ziehen auch unterschiedliche Musikfreunde an. Da gibt es das etablierte, honorige Publikum zumeist etwas höheren Alters, das manche Zeitungen gern mit dem Konzertpublikum schlechthin gleichsetzen. Da gibt es aber auch das Con-brio-Publikum. Oft jung, immer jung im Herzen, begeisterungsfähig, locker. Wer bei Con brio ein Konzert miterlebt hat, dem ist nicht bange um die Zukunft der klassischen Musik. Ein Publikum, das durchaus seinem Orchester zu einem auswärtigen Vorkonzert nachreist – und wenn es auch in einer der ach so geschmackvollen Mehrzweckhallen unseres Landes stattfindet, weil sonst leider kein bezahlbarer Raum in der Herberge ist.

Lieber Gert Feser, liebe Con-brio-Musiker, wir Würzburger danken Ihnen aus ganzem Herzen. Wir wünschen, daß das Feuer von Con brio noch lange, lange die Seelen der Menschen entzünden möge; denn ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum!